Betrachtet man die frühmoderne Staatlichkeit des französischen Ancien Régime aus heutiger Sicht, zeichnet sich ein kontroverses Bild, das nur schwer mit unserer demokratischen Gesellschaftsordnung zu vereinen ist. Insbesondere der Absolutheitsanspruch der Monarchen dieser Zeit erscheint uns aus der heutigen Perspektive als fremdartiges Relikt.
Diese Diskrepanz zwischen ‚absolutistischem' Selbstverständnis und heutiger Wahrnehmung spiegelt sich auch in der oft zugespitzten, teils klischeehaften Bewertung zentraler Figuren der französischen Monarchie wider. So wurde dem französischen König Louis XIV. von der älteren Geschichtsforschung oft die zum absolutistischen Leitsatz erklärte Aussage l'État, c'est moi in den Mund gelegt. Louis XV. unterstellte sie Faulheit und Desinteresse, seinem Nachfolger Louis XVI. Schwäche, ja gar mangelnde Intelligenz und dessen Gemahlin Marie-Antoinette soll ihrem hungernden Volk in Zeiten von Brotknappheit sogar den Verzehr von Brioche vorgeschlagen haben. Die ‚Autrichienne' sei wollüstig wie Messalina und machtgierig wie Agrippina, hieß es. Manche meinten in ihr sogar eine neue Catherine de Médicis zu erkennen. Dasselbe wurde – sowohl durch die Öffentliche Meinung aber auch durch überholte historische Ansätze und Denkweisen – über deren Verwandte Marie de Médicis und wiederum deren Schwiegertochter, Anne d'Autriche, kolportiert. Sie seien nur schwache Frauen, Königinnen und Regentinnen, die ohne die starke Führung der Kardinäle Richelieu und Mazarin in der Politik versagt hätten.
Solche nicht belegbare Behauptungen, überkommenen historischen Ansätze und Thesen sind heute mehrheitlich wissenschaftlich widerlegt. Auch das Frauenbild wurde endlich revidiert. Ja, selbst der ‚Absolutismusbegriff' wird von der Forschung in Frage gestellt – das über die Jahrhunderte hinweg vermittelte Bild hält sich jedoch hartnäckig.
Aber wer waren diese Monarchen, Königinnen und Regentinnen nun wirklich? Despoten, weltfremde Aristokraten von Gottesgnaden, verschwenderische Bauherr:innen und ignorante Ausbeuter – ohne die nötige Weitsicht für die sich ändernden Zeiten? Von der Französischen Revolution als Tyrannen klassifiziert, während der Restauration zu Märtyrern glorifiziert, sind sie heute meist nur noch für ihre Paläste, Maîtressen und Kriege bekannt. Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen haben die Wirklichkeit teils stark verzerrt und Historiker:innen leisten seit Jahren intensive Recherchearbeit, um ein möglichst realistisches Bild zu rekonstruieren.
Die in Dortmund ansässige Privatsammlung ‘Collection Louis de France‘ widmet sich anhand historischer Quellen in Form von Handschriften und gedruckten Publikationen vorwiegend mit der frühneuzeitlichen Geschichte des französischen Ancien Régime unter der Herrschaft der bourbonischen Könige von Frankreich und Navarra.
Sie beleuchtet den Aufstieg und Niedergang der Häuser Valois und Bourbon, die aus der Linie der Capétiens (Kapetinger) hervorgingen, die von 987 bis 1789 – als konstitutionelle Monarchie bis 1792 – die Politik Frankreichs bestimmten und die Geschichte Europas und der Welt entscheidend mitgeprägt haben. Dabei liegt der Fokus der Sammlung nicht ausschließlich auf den Monarchen und deren Regentschaft. Vielmehr geht es um das Spannungsfeld von 'absolut' regierendem Königtum, höfischer Gesellschaft und dem einfachen alltäglichen Leben.
Um dieses Spannungsfeld greifbar zu machen, ist es notwendig, die sozialen und kulturellen Strukturen jener Zeit differenziert zu erfassen und die vielfältigen Perspektiven der beteiligten gesellschaftlichen Gruppen sichtbar zu machen.
Dazu bedarf es eines breit angelegten, multiperspektivischen Zugangs zu den unterschiedlichen Lebenswelten der königlichen Familie, des Hochadels (noblesse d'épée), des Hofadels (noblesse de cour), des Amtsadels (noblesse de robe), des niederen Adels sowie des Klerus – stets im Spannungsverhältnis zur übrigen Bevölkerung. Die Analyse richtet sich auf eine vormoderne, ständisch strukturierte Gesellschaftsordnung, in deren Selbstverständnis soziale Ordnung nur aus der vermeintlich 'gottgewollten' Ungleichheit erwachsen konnte.
Im Zentrum stehen dabei historische Quellen, die Herrschaft und Verwaltung, Rechtsprechung und Gesetzgebung, politische Entscheidungsprozesse, Krieg und Frieden, aber auch Alltagsleben und Tod dokumentieren.
Ebenso wird das höfische Umfeld in den Blick genommen: Formen aristokratischer Repräsentation, Etikette, Vergnügungskultur, Patronage-Netzwerke, Ämterwesen, Karrierestrategien sowie Mechanismen der Machtinszenierung. Architekturgeschichtlich relevante Zeugnisse – etwa zu den Residenzen Versailles, Saint-Cloud oder den Maisons de Plaisance wie Marly – ergänzen diese Perspektiven. Zugleich werden Ausdrucksformen öffentlicher Meinungsbildung berücksichtigt, deren Stimmen nicht selten von Kritik, Spott oder Anklage geprägt sind und so ein Gegengewicht zum offiziellen Narrativ der Herrschenden bilden.
Ergänzt wird die Sammlung durch einen postrevolutionären Bereich, der den tiefgreifenden politischen Wandel nach dem Sturz Napoleons I. in den Blick nimmt. Im Fokus stehen die Restauration der Bourbonen in den Jahren 1814/15 und folgend bis 1830 sowie die Herrschaft des sogenannten ‚roi citoyen', Louis-Philippe I. aus dem Haus Orléans. Mit seiner Absetzung infolge der Februarrevolution 1848 endet nicht nur seine Regentschaft, sondern zugleich auch das monarchische Zeitalter der Könige Frankreichs.
Die Handschriften, Publikationen und Druckgrafiken der Privatsammlung Collection Louis de France sind ausschließlich über diese Website öffentlich zugänglich. Selbstverständlich können Leihgaben für Ausstellungen, sowie Digitalisate für Publikationen angefragt werden. Auch eine persönliche Einsichtnahme zu Forschungszwecken ist nach vorheriger Absprache möglich.
Neben der wissenschaftlichen Auswertung aller Dokumente der Collection Louis de France gilt ein besonderes Augenmerk der bestmöglichen Konservierung der Handschriften, Drucke und Objekte für kommende Generationen – denn Papier und Pergament sind zwar sprichwörtlich geduldig, physisch jedoch empfindlich.